Wie fällt die Bilanz des Nachwuchssommers aus?
Jochen Beppler: „Wir waren mit fünf von sechs Mannschaften unter den besten Acht. Drei davon waren im Halbfinale und zwei konnten sich Medaillen sichern. Das ist die Sicht auf die reinen Ergebnisse. Aber es reicht nicht, von außen darauf zu schauen, wie viele Medaillen gesammelt wurden. Wobei das in diesem Sommer nicht so schlecht aussieht. Natürlich ist es im Nachwuchs wichtig, die Talente auf den Ergebnissport vorzubereiten. Dabei darf aber nicht aus den Augen verloren werden, was auf dem Weg zu guten Ergebnissen in den A-Nationalmannschaften jetzt noch zu tun ist. Deswegen gilt: Leistung beurteilen und Ergebnisse interpretieren. Das ist das Wichtige. Das braucht dann einen analytischen Blick.“
Und wie ist die Sicht auf die Leistungen?
Jochen Beppler: „Zum Interpretieren gehört auch immer ein Blick auf die Gegner während des Turniers. Bei der weiblichen U18 zum Beispiel muss man festhalten, dass man mit Südkorea den späteren Weltmeister in der Vorrundengruppe hatte und mit den Niederlanden in der Hauptrunde auf ein Team getroffen ist, das um die Bronze-Medaille gekämpft hat. Zur Leistung muss man allerdings ehrlich sagen, dass diese in einzelnen Spielen nicht gut und nicht konstant genug war.“
Blicken wir zunächst etwas detaillierter auf die männlichen Nachwuchsteams…
Jochen Beppler: „Der männliche Nachwuchsbereich mit den drei Jahrgängen, deren Leistungsstand wir aufgrund der Corona-Lockdowns nur bedingt kannten, ist auf einem guten Weg. Mit den 2006ern haben wir dreimal in Frankreich gewonnen, die 2005er haben das EYOF gewonnen und die 2004er die Bronzemedaille bei der EHF EURO gewonnen. Bei den Junioren haben wir leider den Halbfinaleinzug nicht realisieren können, obwohl die Mannschaft über das notwendige Potential verfügt. Die Generation der 2002/03er eröffnet kommenden Sommer mit der U21-WM daheim das Jahrzehnt des Handballs! Sie haben die Chance, um Medaillen mitzuspielen, müssen dafür aber noch leidenschaftlicher auftreten.“
Wie können die mannschaftlichen Erfolge auch individuell erfolgreich umgemünzt werden?
Jochen Beppler: „Wir wollen aus der Breite jetzt natürlich Jungs langfristig in die A-Nationalmannschaft bringen. Dazu wollen wir es schaffen, die Jungs so weiterzuentwickeln, dass sie frühzeitig den Sprung in die Bundesliga schaffen – immer mit dem Gedanken, dass sie langfristig gesund bleiben, damit sie kontinuierlich ihre Leistung entwickeln können und nicht von Verletzungen zurückgeworfen werden. Im Sinne der Gesunderhaltung und Talentbewahrung müssen wir weiter nach Lösungen suchen, um zu hohe Spielumfänge für unseren Nachwuchs zu vermeiden und entwickelnde Trainingsanteile zu erhöhen.“
Bei den weiblichen Teams stehen ein Halbfinale, ein siebter und ein zehnter Platz zu Buche. Was sind für die Teams die nächsten Schritte?
Jochen Beppler: „Bei den Mädels geht es jetzt darum, diese Distanz zur Weltspitze kontinuierlich zu reduzieren. Wir haben bei den Juniorinnen gesehen, was mit viel Kampf und Leidenschaft aufzuholen ist. Wenn man dieses Ergebnis interpretiert, hat die weibliche U20 einen sehr guten siebten Platz belegt. Vor allem, wenn man die Voraussetzungen bedenkt mit vielen Erkrankungen im Vorfeld und wenig Spielpraxis in den Monaten vor dem Turnier. Dennoch müssen wir realisieren, dass zu den Teams, die um die Medaillen spielen, die Distanz noch groß ist. Das ist ein Tag für Tag zurückzulegender Weg, der in den Vereinen und bei den Lehrgängen weitergeht.“
Wer sind die wichtigen Stützen für die Erfolge im Nachwuchs?
Jochen Beppler: „Alles, was wir erringen, wird zuvorderst natürlich von unseren Athletinnen und Athleten errungen. Darüber hinaus sind unsere Erfolge auch Systemerfolge. Sowohl intern als auch extern. An so einer Medaille sind alle unsere Trainerinnen und Trainer indirekt beteiligt, weil die Spieler*innen im Laufe der Jahre verschiedene Mannschaften durchlaufen haben. Auch bei der Sichtung fließt die Erfahrung aller Jahrgangstrainer*innen mit ein. Extern hat zuletzt unser Vorstand Sport Axel Kromer die Bedeutung der Vereine und Verbände herausgehoben. Ich kann nur noch ergänzen, dass wir uns auch mit den Ligaverbänden auf gute Wege gemacht haben.“
Was können Sie für die Weiterentwicklung der Nachwuchsteams aus den Turnieren mitnehmen?
Jochen Beppler: „Wie bereits erwähnt: Die Platzierungen, die wir am Ende erreichen, kommen auch nicht ohne die Vereine und Landesverbände zustande. Mit den Erkenntnissen, die wir aus den internationalen Vergleichen ziehen, müssen wir schnell in die Umsetzung gehen. Bei der Frage ‚Bei welchen Inhalten ist es gut gelungen?‘, können wir definitiv das Tempospiel erwähnen, wo wir bei männlicher B- und A-Jugend auch im internationalen Vergleich die Entwicklung mitbestimmen! Im Bereich des aktiven Abwehrspiels sind wir dichter herangekommen, aber noch nicht am Ende unserer Entwicklung angelangt.“
Wie hat der deutsche Nachwuchs im Vergleich zu anderen Top-Nationen abgeschnitten?
Jochen Beppler: „Wenn man auf die Ergebnisse schaut und sie mit anderen Top-Nationen vergleicht, kann man sagen, dass diese sich die Finger danach lecken würden. Die Franzosen sind mit ihrer männlichen U18 nur 13. geworden und spielen deswegen bei der nächsten EHF EURO in dieser Altersklasse nicht mit. Bei der männlichen U20 waren beispielsweise Kroatien und Norwegen nicht in der Hauptrunde. Die Portugiesen haben in den letzten Jahren durch die Zentralisierung extrem aufgeholt. Aber im EYOF haben wir sie geschlagen und auch die U18 konnte sich durch das Unentschieden im direkten Duell besser platzieren. Bei der männlichen U20 standen sie wiederum im EM-Finale. Dafür sind die weiblichen Teams nicht ganz so stark. Frankreich war bei der U20 weiblich nicht unter den besten Acht.“
Somit blicken Sie mit welchem Gefühl auf den Nachwuchssommer zurück?
Jochen Beppler: „Von der Grundtendenz schon zufrieden, aber auch nicht zu euphorisch: Wir Nachwuchstrainer haben immer etwas zu tun. Unser Ziel ist dann erreicht, wenn die Mädchen und Jungs ihre Träume von Bundesliga und A-Nationalmannschaft leben können.“
Quelle: DHB.de